BIG, Der Grund für Form
Eine architektonische Form, die aus der abstrakten Intention des Autoren entsteht, welche auf nichts sonst Bezug nimmt, läuft Gefahr sich in der Beliebigkeit zu verlieren. Wie viel Grund braucht es aber, damit eine Formidee trägt?
(… vorher) Bleiben wir noch ein bisschen beim People’s Building von BIG. Die beiden gegeneinander gestellten Scheiben winden sich mit einem Schwung in den Himmel. Dem statischen Kraftakt entsprechend, entsteht eine starke Form. Man kann sich gut vorstellen, welch atemberaubendes Gefühl es sein muss, unter dem Gebäude zu stehen und die ganze Last stützenfrei über sich zu wissen. Doch reicht dies aus, damit gute Architektur entsteht? Was ist notwendig, damit eine Form nicht nur wegen ihrer Extravaganz etwas bedeutet?
Eine erste Gruppe von Architekten bedient sich theoretisch abstrakter Strategien: Darunter fällt der Bezug auf eine Architekturepoche, eine Philosophie, den Zeitgeist, ein Kunstverständnis, auf mathematische Modelle und Computersimulationen. Andere Gruppen von Autoren beziehen sich auf die Konstruktion oder das Handwerk. Wieder andere konzentrieren sich auf die Erzeugung von Stimmungen oder beziehen sich auf irgendeine Art von Kontext. Dazu zählt der Bezug auf die Kultur, die Gesellschaft und selbstverständlich auf die Umgebung.
Auf all das nehmen BIG bei der Erläuterung ihres Entwurfes keine Rücksicht. Sie konstruieren lediglich nachträglich eine sehr abstrakte Verbindung zur chinesischen Kultur. Theorien scheinen nicht im Interesse der Architekten zu liegen. Es macht den Anschein, als agierten sie mehr als Industriedesigner oder Werbeagentur. Es wird der Knalleffekt gesucht. Es wird das Spektakel inszeniert. Doch der Unterschied zwischen Werbern und Designern auf der einen Seite und den Architekten auf der anderen Seite, liegt in der Dauerhaftigkeit und Sichtbarkeit der Produkte. Es macht Sinn, Gebäude im Hinblick auf ihre Lebensdauer und Grösse weitsichtig zu Planen.
Selbstverständlich gäbe es durchaus Ansatzpunkte für eine tiefergehende Begründung der Form des People’s Building: Es liesse sich bei der Entwurfsstrategie von eine Art Zitat des Zeitgeistes sprechen. Das Gebäude stünde dann für einen uneingeschränkten Optimismus gegenüber dem Produkt und seiner Vermarktung. Der Entwurf könnte aber auch als Beitrag zur Entwicklung einer topografischen Architektursprache verstanden werden. BIG wäre so in der Lage, alle schrägen und verzogenen Ebenen in seine Gestaltung in einen grösseren Zusammenhang zu stellen.
All dies tun BIG nicht. Sie lassen ihre Projekte für sich selbst sprechen und geben nur einen simplifizierenden Werbetext für Investoren zum Besten. Damit lässt sich von ihrer Arbeit nicht viel mehr lernen, als eine konsequente Marketingstrategie, ob schon sie doch Potenzial für so viel mehr bereit gehalten hätte. (Weiter bei…)