Barragán, Farbe gut, alles gut

Barragán, Farbe gut, alles gut

Die Farbe lässt sich in der Schweiz nicht gleich anwenden, wie dies näher am Äquator möglich ist. Das heisst aber nicht, dass bunte Häuser nur in Mexiko vertretbar sind. Ohne Zweifel lässt sich Farbe auch hierzulande mit dem Ort verknüpfen und kulturell sinnhaft begründen.

(…vorher) Wie das Beispiel aus Zürich Altstetten zeigt, müssen bunte Farben nicht zwingend nach den Prinzipien Barragáns angewandt werden. Sie lassen sich auch auf andere Weise gewinnbringend für die Gestaltung einsetzen. Selbst die Wahl der Farben lässt sich nur schwerlich einschränken. Etwas anders kombiniert, ergeben sie gänzlich unterschiedliche Wirkungen. Den einzelnen Farben eine fixe kulturelle Prägung zuzuschreiben, ist daher nicht möglich. Erschwerend kommt hinzu, dass Farben an sich keine klaren Aussagen machen. Sie sind von der Interpretation des Betrachters abhängig. Womit wir wieder am Anfang unserer Beschäftigung mit der Farbe stehen: Bei der Frage nämlich, welche Rolle Farbe in unserem eigenen Schaffen spielen und welchen Prinzipien sie folgen soll. Diese Frage lässt sich in drei Aspekte unterteilen: den kulturellen, den gestalterischen und den wirkungsbezogenen Faktoren.

Im Zeitalter der Telekommunikation hat sich der Zugriff auf kulturelle Regelwerke stark verbreitert. Die Folge davon ist das Verschwimmen der Grenzen zwischen den einzelnen Kulturen. Alles was für eine spezifische Region entwickelt worden ist, kann in einer anderen Region unter anderen Vorzeichen aufgegriffen werden. Letztlich gibt es keine kulturell begründbaren Einschränkungen der Farbanwendung. Es gibt nur einfach oder schwerer übertragbare Inspirationsquellen.

Auch aus gestalterischer Sicht lassen sich keine prinzipiellen Einschränkungen ableiten. Wenn wir uns die unzähligen Problemstellungen in diesem Bereich vor Augen halten, ist es einleuchtend, dass jede Farbkombination das Potenzial hat für mindestens eines dieser Probleme die Antwort bereit zu halten.

Einzig bei der Wirkung der Farbe lassen sich grobe Regeln definieren. Wie bereits besprochen, hängt die Wirkung der Farbe von den Lichtverhältnissen ab, welche nicht überall auf der Erde dieselben sind. Dies betrifft vorwiegend die extremen Wirkungsweisen, die mit der Abstrahlung zu tun haben, für die Barragán bekannt wurde. Ansonsten ist auch auf der Ebene der Wirkung eine grosse Bandbreite möglich.

Wenn aber alles möglich ist, was ist dann das Richtige? Nach welchen Massstäben Treffen wir Farbentscheide in der Architektur? Wichtig ist, dass wir überhaupt entscheiden. Farbe kann mehr sein, als nur die Konsequenz aus der Materialwahl oder die Anlehnung an eine diffuse Vorstellung von Tradition. Farbe ist ein architektonisches Mittel, das aktiv eingesetzt werden kann. Das ist die Lehre, die wir aus dem Werk Barragáns ziehen können. Die Farbe kann ein starkes gestalterisches Mittel mit Raum bildendem Potenzial sein. Wenn wir sie nicht erst nach Abschluss des Entwurfsprozesses bestimmen, sondern sie von Anfang an in den Entstehungsprozess einbeziehen, lassen sich starke Wirkungen erzielen. (Weiter bei …)