Barragán, gedeckte Farben
Neben der Helligkeit der Farben spielt auch der Anteil der schwarzen Pigmente eine grosse Rolle in der Farbigkeit der Stadt Zürich. Sie dämpfen den Buntanteil der Farbe ab. Es sind also keine rein bunten Töne, sondern gedeckte Farben, welche häufig vorkommen.
(…vorher) Die Wirkung solcher gedeckten Farben ist eine sehr zurückhaltende. Sie erscheinen uns als natürlich, da sie sich unaufgeregt in die Umgebung einpassen. Bei der Arbeit mit diesen Farben stellen sich zwei Fragen: Wie lassen sich mit ihnen starke Gestaltungskonzepte umsetzten und können solche Farben einen Ort, einen Bau prägen?
Im Vergleich zu den Farbgestaltungen Barragáns sind gedeckte Farben im Nachteil, mindestens was ihr Potenzial zur Erregung von Aufmerksamkeit angeht: Sie haben keine Leuchtkraft und setzen sich nicht von der Umgebung ab. Die Wirkung muss auf eine andere Art hervorgerufen werden.
Das Mittel zur Erregung von Aufmerksamkeit bei gedeckten Farben ist der Kontrast. Auch die stark bunten Farben profitieren letztendlich von diesem Effekt. Sie heben sich ab, weil rundherum nichts so extrem bunt ist. Mit hell-dunkel Unterschieden lässt sich eine ähnliche Differenz erzeugen. Allerdings kann die Wirksamkeit weniger gut über einen Farbton alleine abgestützt werden. Gedeckte Farben sind häufiger und haben ein kleineres Potenzial sich von ihrer Umgebung abzuheben.
Einen Ausweg bietet hier die Strategie, den Kontrast innerhalb der eigenen Gestaltung zu erzeugen. Das bringt mehrere Vorteile mit sich: Der Kontrast kann selbst gesteuert und langfristig erhalten werden. Zudem kann er die Basis und Inspiration für ein Gestaltungsthema sein. Durch die Integration des Kontrastes in die Architektur, besteht die Möglichkeit, die Farbe bewusst wahrnehmbar zu machen. Mit Farbe kann gestaltet werden, statt sie nur auszusuchen.
Möglichkeiten einer solchen Gestaltung durch Farbdifferenzen gibt es viele: Man entwickelt sie aus dem Sockelthema heraus oder nutzt einzelne Bauteile zur Abgrenzung der Farben. Man differenziert Gebäudetrakte oder macht die Unterscheidung an den Hausecken fest.
Denkbar sind auch Strategien, die der Bausubstanz weniger folgen oder ihrer volumetrischen Absicht sogar entgegenwirken: Die Oberfläche kann im Sinne der Camouflage frei gemustert werden oder sogar eine spezifische Auflösung des Volumens durch präzis gesetzte Farbflächen hervorrufen.
All diese Massnahmen haben einen grafischen Charakter, mit grösserem oder kleinerem Zusammenhang zur Architektur. Auch hier ist von den passiven Musterung bis zur aktiven Szenografie der Flächen alles denkbar. Ob man dieser grafischen Vorgehensweise in der Architektur einen Platz einräumen möchte, ist jedem Planer selbst überlassen. Sicher ist, gedeckte Farben für sich alleine genommen, leisten kaum einen eigenständigen Beitrag zur Wirkung der Architektur. Sie werden nicht als bewusste Massnahme erkannt und gestalten den Bau nur passiv mit. Wird jedoch aktiv nach Kontrasten gesucht, welche das Bild des Hauses prägen, kann auch die gedeckte Farbe einen Ort wirksam mit gestalten. (Weiter bei…)