Barragán, helle Farben
Müsste man die typische Schweizer Farbigkeit definieren, man würde intuitiv zu einer Palette von Weiss, Grau und deren leicht eingefärbten Verwandten neigen. Die Untersuchungen in der Stadt Zürich bestätigen diese Vermutung. Woher kommt diese einheitliche Farbpalette?
(…vorher) Die 21 häufigsten verwendeten Hauptfarben (Deckung 66%) sind laut dem Buch Farbraum Stadt (1) Weiss, Gelbweiss, Beige und Hellbraun. Dieses Ergebnis beruht auf der Analyse aller Gebäude in der Stadt und ist somit die umfassendste Untersuchung dieser Art in der Schweiz. Unsere Intuition bezüglich der Farbigkeit ist also nachweislich richtig. Die Frage, warum das so ist, kann im erwähnten Buch nicht abschliessend beantwortet werden. Zumal sich ja die Vorlieben durch die Zeit hindurch auch hinsichtlich der Farbigkeit immer wieder verändert haben. Ansätze zur Beantwortung dieser Frage gibt es aber schon:
Judit Solt setzt den Hang zu hellen Farben mit der religiösen Tradition in Verbindung. Hiernach sei das Helle in der christlichen Welt mit der Vorstellung von Reinheit und Unschuld verbunden. Weisse Farbtöne seien mitunter deshalb positiv konnotiert (2). Es mag sein, dass sich in der Schweizer Seele ein gewisser Hang zum Einfachen, Reduzierten und Reinen aus dieser religiösen Kulturprägung heraus entwickelt hat.
Eine andere Begründung lässt sich auf die Vorkommen von Baumaterialien und Konstruktionsweisen abstützten. Helle Steinfassaden und Kalkputze haben die Gebäudefarben beeinflusst. Allenfalls kann auch das Fehlen von Pigmenten in ausreichender Menge ein Grund für die geringen Buntanteile sein.
Letztendlich wird die Wahl der Farbe aber auch mit den allgemeinen Geschmacksvorstellungen zu tun haben. Eine Umfrage im Rahmen der Studie Farbraum Stadt hat gezeigt, dass man sich zwar durchaus mehr Buntheit in der Stadt wünscht, gleichzeitig aber starke Buntheitsgrade ablehnt (3). Den richtigen Mittelweg zu treffen ist eine heikle Angelegenheit. Gerade für Bauherren, die sich kaum Tag für Tag mit Farbe auseinandersetzten, ist die Wahl schwierig. Doch auch für den Architekten ist der Rückzug auf sichere Positionen eine Vereinfachung seiner Arbeit.
Es sind immer Menschen, die sich für die eine oder andere Farbgebung entscheiden. Daher spielt der allgemeine Farbsinn eine sehr grosse Rolle. Und dieser Farbsinn pendelt sich in der Schweiz im Bereich der Weiss-, Grau- und Beigetöne ein. (Weiter bei…)
(1) Farbraum Stadt: Box ZRH, Jürgen Rehsteiner, Lino Sibillano und Stefanie Wettstein (Hg.), Haus der Farbe, CRB, Kontrast, Seite 70
(2) Solt Judit, Dunkle Bauten, die Vielfalt des Anderen, in: Box ZRH, Jürgen Rehsteiner, Sibillano Lino, Wettstein Stefanie (Hg.), Haus der Farbe, CRB, Kontrast, Seite 141
(3) Sibillano Lino, Wettstein Stefanie, Qualitätskriterien und Strategien für einen nachhaltigen Einsatz von Farbe in der Stadt, in: Box ZRH, Jürgen Rehsteiner, Sibillano Lino, Wettstein Stefanie (Hg.), Haus der Farbe, CRB, Kontrast, Seite 182