Barragán, Farblicht
Die dritte Strategie Barragáns, Farbe in die Architektur zu bringen ist jene der farbigen Fensterscheiben. Einen Vorgehensweise, die wir von den bemalten Kirchenfenstern her kennen. Eine sakrale Wirkung ist auch den Projekten des Mexikaners nicht abzusprechen.
(…vorher) Der Korridor im Haus Gilardi ist an sich eine gewöhnliche Bewegungsfläche. Er führt vom Eingang am Innenhof vorbei zum Essraum. Doch von einem normalen Raum kann hier nicht die Rede sein. Über eng gereihte, schmale Schlitze, fällt vom Hof her gelbes Licht.
Die Scheiben sind wolkig bemalt, fast so, als hätte sich ein Kind mit einem Eimer Fingerfarben vergnügt. Aber dazu ist der Anstrich doch zu regelmässig und zu dicht. Der Blick in den Innenhof wird durch die Bemalung versperrt. Nur das gelbe Licht dringt ein und erhellt die Leibungsflächen. Die Kolonnade aus eng gestellten, rechteckigen Stützen, erzeugt ein Spiel der Hell-Dunkel-Kontraste. Der Raum wird von Rhythmus und intensivem Licht geprägt. Danièle Pauly schreibt in Ihrem Buch über Barragán dazu:
„Um Lichteffekte zu erzielen, verwendet er getönte Fensterscheiben in Gelb- und Orangetönen oder übermalte Scheiben, bei denen die Struktur der Pinselstriche dem Licht Substanz und Farbnuancen verleihen. Schon Chucho Reyes hatte sich dieses künstlerische Mittel zu Nutze gemacht, um eine permanente Sonnenscheinwirkung ohne die Konsequenzen einer zu intensiven Lichteinwirkung zu erzielen.“ (1)
Im Unterschied zur Reflexion ist die Wirkung von bemaltem Glas nicht vom Sonnenstand abhängig. Es mag zwar mehr oder weniger Licht einfallen, aber es bleibt gelb. Der Raum erhält dadurch eine permanente Charakteristik. Eine hypnotisch intensive, bisweilen sakrale Stimmung breitet sich aus. (Weiter bei…)
(1) Pauly Danièle, Barragán, Raum und Schatten, Mauer und Farbe, Birkhäuser, 2002, S. 190