Cook / Fournier: Warum ein Alien

Cook / Fournier: Warum ein Alien

Wenn das Haus als Kunstobjekt entworfen wurde unterliegt es nicht den architektonischen Erklärungsmodellen. Als Kunstwerk hätte es aber buchstäblich jede Form annehmen können. Warum also tritt es gerade als Alien in Erscheinung?

(… vorher) Zunächst einmal streiten die Autoren ab, die ausserirdische Erscheinung des Baus gezielt gestaltet zu haben. Sie behaupten im Buch „A friendly Alien“ (1) die Form hätte sich auf Grund des Baufeldes so ergeben. Ihre Absicht sei nur gewesen, das komplexe Volumen, welche durch das Ausfüllen des Baufeldes entstand, durch Rundungen zusammenzubinden.

Man wird den Verdacht aber nicht ganz los, dass die Architekten den ausserirdischen Charakter bewusst erzeugt haben. Zumindest muss man annehmen, dass sich die Autoren nicht gegen die Lesart als Alien gewehrt haben, als die Interpretation erstmal auf dem Tisch lag. Wie sonst liesse sich die Vermarktung als „friendly Alien“ erklären? Die Tentakel auf der Oberseite des Baukörpers machen die Formulierung des Ausserirdischen offensichtlich. Wäre es nur um die Vereinheitlichung der Volumen gegangen, hätte das Haus auch einen anderen Ausdruck haben können: Seifenblasen, Kissen und Luftmattratzen sind nur einige Beispiele hierfür. Die Ausformulierung zum extraterrestrischen Wesen muss also noch einen anderen Grund haben:

Das Alien hat eine bestechende Eigenschaft. Es ist etwas Utopisches und Gegenständliches zu gleich. Obschon noch nie ein Ausserirdischer gesichtet wurde, gibt es klare Vorstellungen darüber, wie sie denn auszusehen haben. Durch eine Unzahl an Science-Fiction Filmen hat sich so etwas wie eine kulturelle Übereinkunft um das Aussehen von extraterrestrischem Leben entwickelt. Der Ausserirdische ist damit etwas sehr Präsentes, obschon seine Existenz nicht nachgewiesen ist.

Durch diese utopische Gegenständlichkeit, hat das Grazer Kunsthaus gegenüber anderen, formal extravaganten Bauwerke, einen entscheidenden Vorteil. Die Form erklärt sich trotz grosser gestalterischer Freiheitsgrade aus den gemeinsamen Phantasien der Menschen. Es braucht keine aufwändige Herleitung im architektonischen Sinne. Es reicht aus, genügend deutliche Attribute aus Raumschifffilmen zu zitieren.

Dabei ergibt sich ein weiterer Vorteil: Das Bauwerk ist ein konkretes Gegenüber. Es ist nicht nur ein verrücktes Gebilde. Es ist kein Gegenstand sondern ein Wesen. Es kann dem Menschen beinahe schon als Person gegenübertreten. Zusätzlich verstärkt wird dieser Eindruck durch die Ausgestaltung der Oberfläche als Bildschirm. Die Leuchtpunkte zwinkern einem wie ein riesiges Fassettenauge entgegen.

Die Verwendung von künstlerischen Strategien anstelle von architektonischen macht es damit möglich das Bauwerk in der Stadt ganz anders in Erscheinung treten zu lassen. Es greift viel aktiver in die Stadt ein, da es selbst auch als Akteur und nicht nur als Resultat eines Akteurs verstanden werden kann.

Letzten Endes ist das Kunsthaus ein antiarchitektonisches Postulat. Es ist ein Kunstwerk, das sich dem Massstab eines Gebäudes bedient. Die Grösse ist die einzige Verbindung zur Stadt und zur Architektur. (Weiter bei…)

(1) A Friendly Alien, Ein Kunshaus für Graz, Peter Cook, Colin Fournier Architects, Hrsg.: Dieter Bogner / Kunsthaus Graz AG, Hatje Cantz Verlag, Ostfildern-Ruit, 2004, S. 102