Cook / Fournier, Grossartige Inkonsequenz

Cook / Fournier, Grossartige Inkonsequenz

Eine Blase zu bauen, lag in den Nullerjahren in der Luft. Sie mit Tentakeln auszustatten war eine freche Idee mit grossem Marketingpotenzial. Diese rundliche Formenwelt mit einer nahezu orthogonalen Aussichtskanzel zu ergänzen hatte jedoch wirklich Schneid.

(…vorher) Zunächst einmal macht die von den Architekten „Neadel“ genannte Aussichtskanzel sehr viel Sinn. Die Oberlichttentakel sind zwar auch von weitem schön anzusehen. Dennoch ist es fantastisch, das Formenspiel von Nahem betrachten zu können. Das Haus liefert die Apparatur zu seiner Wahrnehmung gleich selbst mit.

Dazu kommt, dass sich diese Aussichtskanzel stark vom Rest des Gebäudes abhebt. Manch einer hätte die rundliche Formensprache des Hauptkörpers übernommen, um einen solchen Beobachterposten zu gestalten. Auf den ersten Blick hätte das die Form gestärkt. Nicht so Cook und Fournier: Sie haben den Kontrast zum Alien gesucht. In der direkten Art, in der das Bauteil erscheint, offenbart es seine Funktion und letztlich auch die Funktion des gesamten Gebäudes: Der Museumsbau sucht das Spektakel und führt den Betrachter dorthin, wo es stattfindet.

Das Vorgehen der Architekten zeigt ihren frischen Umgang mit gestalterischen Dogmen. Sie widersetzen sich einer durchgängigen Gestaltung mit grosser Konsequenz. Nicht nur, dass sie einen formfremden Körper ans Gebäude anbauen, dieser Körper ist auch noch in den Hauptbau eingeschnitten. Es handelt sich also nicht um einen vor das Haus komponierten Gegenstand, sondern um ein Implantat am Alienkörper. Es wurde geradezu gewaltsam in die Blasenform hinein getrieben. Dementsprechend unsanft wirken auch die Übergänge. Seltsame Verschneidungen führen beispielsweise zu einer unklaren Belichtungssituation. So fällt mehr Licht über die Aussichtskanzel in den oberen Ausstellungsraum, als über die Oberlichttentakel in der Kuppeldecke.

Bei derartigen architektonischen Grobheiten kann man sich fragen, ob sie aus dem Unvermögen der Gestalter oder aus deren bewusster Absicht entstanden sind. Man kann sich ebenso fragen, ob unser Perfektionsanspruch nicht auch so manche spannende Lösung verhindert. Im Falle des Grazer Kunsthauses verschwinden diese Fragen jedoch hinter der übergeordneten Wirkung und Funktion der Aussichtskanzel. Allen unfeinen Details zum Trotz, erhebt die Aussichtskanzel den Bau von einer gewöhnlichen Blase zu einem fantastischen Objekt. (Weiter bei…)