Zürich, Der Stadtplan
Die Stadt Zürich ist formal gesehen eine Ansammlung von Bauten. Zumindest ist das heute so. Sie zeigt gerade in den neuen Projekten keine innere Konsistenz. Weder ein typologischer, geschweige denn ein ästhetischer Ansatz verbindet die Einzelteile mit dem Ganzen.
(… vorher) In der Reihe „brandet Areas“ haben wir uns mit Unzulänglichkeiten des Zürcher Städtebaus beschäftigt. Wir haben festgestellt, dass in der Limmatstadt unvermittelt die unterschiedlichsten Bauformen neben einander gestellt werden. Die folgende Textreihe dreht sich um die Suche nach geeigneten Wegen aus der städtegestalterischen Sackgasse.
Bevor wir uns in die Details stürzen, soll die Frage erlaubt sein, warum die Form der Stadt so entscheidend ist. Sind es nicht letzten Endes die Beziehungen der Menschen untereinander, welche die Gesellschaft und damit auch die Stadt bilden? Braucht die Gesellschaft tatsächlich eine bauliche Entsprechung und warum sollen diese ästhetischen Vorgaben folgen? Schliesslich gibt es eine solche Einheit in der Agglomeration auch nicht und dennoch scheint das Leben dort zu funktionieren. Selbst die Faszination der Planer für das Chaotische zeigt sich an den vielen Publikationen zu diesen Gebieten. Also alles kein Problem?
Ja, aber nur dann, wenn man die Rolle der Agglomeration und der Kernstadt nicht unterscheidet – wenn man in der geordneten Stadt keine Qualitäten sieht, die in der chaotischen Siedlung nicht kompensiert werden könnten. Denn Agglomeration lässt sich bis heute ohne die Kernstadt nicht denken. Beide Gebiete stehen in enger Wechselwirkung zueinander. Auch wenn man der Realität des wuchernden Siedlungsbreis etwas Positives abgewinnen kann; Ohne die Zentren ist dies nicht möglich. Das Ungeordnete der Agglomeration ist also keine Rechtfertigung für das Chaos in der Stadt.
Es stimmt schon: Für die reinen funktionalen Abläufe in einer Gesellschaft, und damit auch in der Stadt, braucht es keine gestaltete Form. Es sind die Verbindungswege, wie Strasse, Eisenbahnlinien und Telekommunikationsleitungen, welche den Austausch sicherstellen. Aber die Gesellschaft besteht eben nicht nur aus der reinen Funktion. Sie besteht zu einem wesentlichen Teil auch aus Kultur. Wenn wir ein fremdes Land bereisen, sehen wir zunächst die Landschaft und die Bauten. Den Menschen und ihrem Zusammenleben begegnen wir erst später. Die Form der Stadt, ebenso wie die Form der Architektur, sind Identität stiftende Eigenschaften, sowohl nach Aussen, als auch nach Innen. Der Ausdruck des Gebauten repräsentiert die Gesellschaft in einer für alle sichtbaren Gestalt.
Wenn die Form der Stadt also keine erkennbare Ordnung aufweist, dann schwächt sie damit die Identität der Stadt. Das führt zu einem Verlust an kultureller und letztlich auch an persönlicher Lebensqualität.
Zürich hat heute eine hohe Lebensqualität. Die Stadt führt schon seit Jahren das internationale Städte-Ranking an. Diese Tatsache ist aber keine Einladung zum Nichtstun. Gerade in einer Zeit, in der die Lebensdauer eines grossen Teils des Siedlungsbestandes zu Ende geht, sind grosse, bauliche Umwälzungen zu erwarten. Fehlt hier der planerische Weitblick, kann die Qualität schnell verloren gehen. (Weiter bei …)