Pixelhaufen statt Haus

Pixelhaufen statt Haus

Sich von der Strasse abzudrehen, die Reihung zu verlassen und die Gleichförmigkeit der parallelen Struktur aufzugeben, ist das eine. Was aber ist, wenn sich zu alledem auch das Haus aufzulösen beginnt? Bis in die 60-er Jahre kann das Haus in seiner Einheit als abgeschlossenes Objekt betrachtet werden. Sei es in der Reihe, in der Addition oder freistehend, das Haus ist nach traditionellen Massstäben als solches zu erkennen. In den 70-ern ist diese Einheit einer Umformung unterworfen, die mit dem Begriff Verpixelung beschrieben werden kann.

(… vorher) Der Gebäudeversatz, als architektonisch-städtebauliches Mittel, ist in vielen Epochen anzutreffen. Sowohl Reihenhäuser, als auch addierte Mehrfamilienhäuser sind durch Rück- und Vorsprünge aufgelockert gestaltet worden. Die zusätzlichen Gebäudeecken, welche dabei entstanden sind, deckten sich jeweils mit der einzelnen Hauseinheit. Eine Einheit, die sich durch die Anbindung der Wohnräume an dasselbe Treppenhaus ergibt und meist auch durch Brandwände begrenzt wird. Die funktionale Aufteilung widerspiegelt sich in der äusseren Form.

Nun aber löst sich diese Übereinstimmung zwischen Funktion und Form auf. Die Gebäude sind nicht mehr einfache Häuser oder zusammengebaute Häuser, vielmehr werden sie zu undefinierten Grossformen. Wir nennen diese im Folgenden Gebilde.

Zur Veranschaulichung des Begriffs Gebilde sollen zwei Überbauungen dienen: Zum einen ist dies die Wohnsiedlung Döltschihalde (1968) des Architekten H. Koella und zum anderen die Wohnsiedlung Grossenacker (1981) der Architekten H. Hochuli und A. Koller. (1)

Die erste Siedlung im Quartier Friesenberg besteht aus zwei Punkt- und vier Längsbauten. Die siebengeschossigen Punktbauten sind aus jeweils drei Quadern zusammengesetzt. Die viergeschossigen Flachbauten sind mehrheitlich als Langform von 55 bis 90 Metern ausgeführt. Ein Volumen zeigt in der Mitten einen 90°-Knick und passt sich so den Gegenebenheiten des Grundstücks an.

Neben ihrer Länge zeichnet die Gebäude aber vor allem ihre spezielle Formgebung aus: Sie bilden durch mehrfache Rück- und Vorsprünge eine leicht gekrümmte Gesamtform aus. Mit den zueinander verschobenen Häusern aus den Nachkriegsjahren hat das nur noch entfernt zu tun. Die Rückstaffelungen zeigen hier nicht mehr die Teilung der einzelnen Häuser an. Letzten Endes passiert gerade das Gegenteil. Durch die grosse Zahl der Volumenverschiebungen wird eine Verschmelzung der einzelnen Gebäudeeinheiten zu einer grösseren Form, einem Gebilde, erreicht. Es ist kaum noch festzustellen, welche Gebäudeteile zu welchem Erschliessungskern gehören.

Ähnliches passiert auch beim zweiten Beispiel in Leimbach. Hier sind drei unterschiedlich grosse Bauvolumen zusammengestellt (60 bis 80 Meter lang). Neben dem Seitenversatz sind diese, auf Grund der Hanglage, auch in der Höhen gestaffelt. Doch entscheidender für die Wirkung der Bauten ist die Regelmässigkeit mit der die Staffelung erfolgt. Die Balkonbesetzte Südfassade ist um die immer gleiche Fassadenlänge zurückversetzt. Die Form des Häuser-Gebildes folgt hier einer geometrischen Regel. Das Resultat ist eine verpixelte Diagonale ohne Bezug zur Umgebung. In seiner Struktur konsequent, aus städtebaulicher Sicht aber kaum greifbar.

Auf Grund der beiden Projekte kann die These einer gestalterischen Entwicklung aufgestellt werden. Wo sich die Wohnsiedlung Döltschihalde mindestens im Ansatz der Strasse entlang bewegt, löst sich die Wohnsiedlung Grossenacker von jeder Aussenbeziehung ab und richtet sich gänzlich auf ihre innere Struktur. Wo in Friesenberg eher ein amorphes aufgelockertes Bild gesucht wird, zeigt das Beispiel aus Leimbach einen strengen Rhythmus. Hier tritt uns das architektonische Gebilde in seiner reinen Form entgegen. In dem es sich von jeglicher Verbindung zur Stadt lossagt, muss es seine Ordnung aus sich selbst erzeugen. Diese Ordnung wiederum zeigt sich in der formalen Logik der Staffelung. Einer Logik, die nur durch das Ineinanderschieben der Häuser, also dem Verwischen ihrer Grenzen, möglich wird. (Weiter bei…)

(1) Kommunaler und genossenschaftlicher Wohnungsbau in Zürich, Ein Inventar der durch die Stadt geförderten Wohnbauten 1907-1989, Michel Koch, Mathias Somandin, Christian Süsstrunk, Finanzamt und Bauamt der Stadt Zürich, S. 102, S. 135