Auflösung durch Abdrehen

Auflösung durch Abdrehen

Mit der fortschreitenden Auflösung der räumlichen Ordnung im Zuge der Durchgrünung der Stadt, entwickelte sich in den letzten 100 Jahren die heutigen Siedlungsform. Diese weist eine übergeordnete Struktur und einen übergeordneten gestalterischen Ausdruck nur noch in homöopathischen Dosen auf. Zu Beginn folgte die durchgrünte Bauweise allerdings nach klar erkennbaren Ordnungsprinzipien.

(… vorher) Verzögert durch die später einsetzende Industrialisierung, entstanden ab der Zwischenkriegszeit durchgrünte Siedlungen (1). Ein bekanntes Beispiel sind die Bernoullihäuser in Zürich. Diese sind nicht nur als Gegenthese zur Kernstadt zu lesen, sondern auch als Absage an die aufgelösten Blockrandbebauungen zu verstehen, wie sie beispielsweise im Seefeld zwischen der Florastrasse und der Feldeggstrasse entstanden. Diese These lässt sich vor allem durch den neuartigen Strassenbezug stützen. Die Bauten sollten nicht mehr parallel an der Strasse zu liegen kommen. Sie sollten sich durch die Abdrehung im rechten Winkel vom Verkehr abwenden. Die Definition des Strassenraumes durch die Bauten wurde nicht mehr angestrebt (2). Erst die Feinerschliessung, ausgestaltet als hofartige Sackgasse, wurde von den Bauten gefasst und deutete die Bildung einer sozialen Einheit an. Zur Rolle der Erschliessung schrieb Bernoulli selbst:

„Durch die Anlage nutzbarer Vorgärten, die die respektable Breite einer halben Häusergruppe erhalten und durch die schmalen Zuführungswege zu je zweien zusammengeordnet sind. gewinnt die Strasse ein ganz neuartiges Aussehen: die Häuserfluchten werden durch die tiefen Vorgärten weit auseinander geschoben und die Strasse wird zu einem zwischen Gärten hindurchführenden Weg.“ (3)

Hier klingt die Auflösung zwischen der bisher engen Beziehung von Strasse und Haus deutlich an. Es geht nicht nur um das Reihenhaus mit dem dazugehörigen Garten. Beim Zürcher Beispiel ist die Auflösung allerdings nur teilweise umgesetzt worden. Die Gärten befinden sich jeweils nur auf einer Gebäudeseite. Auf der Zugangsseite besteht noch ein starker Strassenbezug. Hier zeigt sich, dass trotz eines starken Drangs nach einer aufgelockerten Stadtstruktur, ordnende Elemente dennoch als erstrebenswert erachtet wurden. Es war nicht das Ziel die Bauten völlig wild und ungerichtet auf das Baufeld zu streuen. Auch wenn man die Distanz von der Stadt als dichten, geschlossenen Körper suchte, so bildete man im kleinen, überschaubaren Rahmen dennoch Einheiten.
Die Richtung war aber vorgegeben. Koch, Somandin und Süsstrunk schreiben zur Entwicklung des gemeinnützigen Wohnungsbaus um 1927:

„Die Baulinie verlor ihre stadtgestalterische Bedeutung, und ihre rechtliche Wirkung reduzierte sich zunehmend auf die Ausscheidung der Strassenfläche. Die Bebauung begann sich von der Strasse zu lösen, am konsequentesten durch die Querstellung zur jeweiligen Erschliessungsstrasse um 1930. Der Schutz vor Lärm und Staub, die Orientierung der Wohnungen zur Sonne sowie eine adäquate Landschaftsgestaltung war die Hauptmotive hierfür.“ (4)

Die durchgrünte Stadt ist nicht alleine durch das Verhältnis zwischen Grünfläche und Gebäude zu beschreiben. Ansonsten hätten die Innenhöfe der Blockränder grösser und grüner gestaltet werden können. Es ist im Wesentlichen die Auflösung geschlossener Gevierte und die Ablösung von der Strasse die zur durchgrünten Stadt führen. (Weiter bei …)

(1) Leitbilder des modernen Städtebaus in der Schweiz 1918-1939, Michael Koch, Institut für Orts-,Regional- und Landesplanung ETH
(2) Behrens/de Fries, zit. n. Bernoulli, 1919, S.98, in: Leitbilder des modernen Städtebaus in der Schweiz 1918-1939, Michael Koch, Institut für Orts-,Regional- und Landesplanung ETH Zürich, 1988, S. 120
(3) Bernoulli. 1919. S . 98, in: Leitbilder des modernen Städtebaus in der Schweiz 1918-1939, Michael Koch, Institut für Orts-,Regional- und Landesplanung ETH Zürich, 1988, S. 120
(4) Kommunaler und genossenschaftlicher Wohnungsbau in Zürich, Ein Inventar der durch die Stadt geförderten Wohnbauten 1907-1989, Michel Koch, Mathias Somandin, Christian Süsstrunk, Finanzamt und Bauamt der Stadt Zürich, S.32-33