Zwischen den Zeilen

Zwischen den Zeilen

Der Zeilenbau ist die meist verbreitete Bautypologie in der Stadt Zürich. Die Wohnbauten aus der Nachkriegszeit sind zu einem grossen Teil auf diese Art erstellt worden. Heute, wo der Ersatz dieser Bauten ansteht, stellt sich die Frage, ob es Sinn macht diese Typologie fortzuführen. Und wenn ja, wie?

(… vorher) Unter Zeilenbauten lässt sich vieles subsumieren, was sinnvollerweise nicht derselben Typologie zugeordnet werden sollte. Neben der Gebäudegrundfläche ist die Höhenentwicklung, die Gebäudestellung und die Rolle des Aussenraumes ebenso entscheidend für die Definition einer Typologie. Einen Dreigeschosser à Dreissig Metern Länge mit einem ebenso langen Siebengeschosser gleichzusetzten, ist nicht die Basis für einen differenzierten Diskurs. Eine Typologie kann demnach nicht anhand einer einzigen Eigenschaft beschrieben werden. Sie ist das Ergebnis aus dem Zusammenspiel verschiedener Kriterien.

Der Zeilenbau der Nachkriegszeit ist nicht einfach nur ein Zeilenbau. Er zeigt eine niedrige Geschossigkeit, überwiegend parallele Zwischenräume und orthogonale Strassenbezüge. Der Aussenraum dient als Abstandsfläche. Meist ist er nicht hierarchisch auf ein Zentrum ausgerichtet und nicht auf die Bildung von Aussenräumen fokussiert. Prägend für diese Typologie ist zudem, dass die meisten Bauten auch in ästhetischer Hinsicht starke Ähnlichkeiten aufweisen.

Wenn wir Typologie in dieser Genauigkeit definieren, kann ein verdichteter Ersatzneubau dem Bestand kaum gleichgesetzt werden. Andere Gebäudehöhen und Gebäudeabstände führen zu einem anderen Raumgefühl, zu einer anderen Sichtbeziehung zwischen den Wohnungen. Selbst der offen durchgrünte Aussenraum lässt sich kaum je über den gleichen Leisten schlagen. Ob die Flächen zwischen parallelen Bauten oder zwischen frei gestreuten Volumen liegen macht einen wesentlichen Unterschied. Wenn bei einer Punktbauweise (Rautistrasse) von einer „Anknüpfung an die bewährten Bauformen der Nachkriegszeit“ gesprochen wird (1), dann muss dies zumindest als starke Vereinfachung klassifiziert werden.

Aber es gibt auch Projekte, die der herkömmlichen Bauform wesentlich näher stehen. Die Überbauung am Malojaweg und die Neubauten an der Fellenbergstrasse zeigen über grosse Strecken eine Verwandtschaft zur Nachkriegsbauweise. Zunächst liegt dies an der niedrigen Geschossigkeit. Beim Malojaweg sind es drei bis vier, bei der Fellenbergstrasse sind es mit Dachgeschoss fünf Stockwerke. Die niedrige Bauhöhe ist die Grundvoraussetzung für die Fortsetzung des Bestandes. Bei beiden Siedlungen lässt sich eine klare orthogonale Ausrichtung feststellen. Am Malojaweg ist es die parallele Setzung der langgezogenen Häuser, bei der Fellenbergstrasse ist es der Strassenabschluss der davon um 90° abgedrehten Altbauten.

Selbstverständlich gibt es auch bei diesen Siedlungen Unterschiede zur alten Bautypologie. An der Fellenbergstrasse tritt der Baukörper näher an die Strasse heran und baut durch die Ausbildung des Sockelgeschosses eine enge Beziehung zu dieser auf. Am Malojaweg wird die erhöhte Dichte in den wesentlich schmaleren Abständen zwischen den Häuserzeilen offensichtlich. Nicht mehr die breiten Graszwischenflächen dominieren den Aussenraum. Indem die Fusswege diese Bereiche teilen, lassen sich die Grünflächen eher zu den einzelnen Bauten zurechnen, als dass sie als eigenständig betrachtet werden können.

Dennoch zeigen diese Überbauungen, dass trotz Verdichtung typologisch wesentlich näher am Ursprung der Nachkriegssiedlungen gebaut werden kann, als dies andere „durchgrünte“ Bauweisen tun. Klar, nicht immer kann eine solche typologische Nähe mit den zu ersetzenden Bauten erreicht werden. Meist ist es der Zwang zur Dichte, der die Fortführung der Bauform verunmöglicht. In diesem Fall trägt die rhetorische Gleichsetzung von völlig Gegensätzlichem nicht zu mehr Qualität. Schliesslich lässt sich der Typologiewechsel durch die veränderten Anforderungen klar begründen. Also muss sich auch eine schlüssige Herleitung für die Unterschiede zur alten Typologie finden lassen. (Weiter bei…)

(1) Pressetext des Hochbaudepartement der Stadt Zürich vom 05.10.2005, Seite 3, Siehe unter http://www.stadt-zuerich.ch/internet/mm/home/mm_05/10_05/051005h.html