The missing Link
Nicht alle Punkbausiedlungen folgen einer geometrischen Streuform. Nicht immer kann eine Setzung durch den Schwarzplan verstanden werden. Die Stadt Zürich als Bauherrin gibt mit der Siedlung an der Rautistrasse einer städtebauliche Strategie den Vorzug, die ein gewisses Mass an Sperrigkeit in ihrer Begründung mit sich führt.
(… vorher) Aus 118 Projektvorschlägen hat sich der Entwurf der Undend-Architekten durchgesetzt. Auf den ersten Blick scheint er der Siedlung an der Else-Züblin-Strasse sehr verwandt. Allerdings sind die Volumen nicht so gleichmässig gestreut. Zwei Gebäude liegen ganz eindeutig auf einer gemeinsamen Flucht, zwei andere nur nahezu. Der Rest der Häuser liegt scheinbar unmotiviert dazwischen und daneben. Das Projekt verweigert sich jeglichem geometrischen Muster, in dem es teilweise geordnet ist, diese Ordnung aber nicht konsequent fortsetzt.
Im Pressetext der Stadt heisst es zur Gebäudestellung, die unterschiedlichen Zwischenräume ermöglichten überraschende und von jedem Standpunkt aus neue Durchblicke. Diese scheinen auf Grund der Nähe zum Üetliberg besonders hoch gewichtet zu werden. So hoch, dass auf eine nachvollziehbare Struktur im Schwarzplan verzichtet wird.
Dieser Entscheid kann auf zwei Arten interpretieren werden: Die Jury hat die architektonische Qualität über die des Städtebaus gestellt oder sie strebt eine ganz neue Form des Städtebaus an.
Im ersten Fall können die unterschiedlichen Durchblicke tatsächlich als grosse Qualität betrachtet werden. Es ist die Sichtweise des Stadtwanderers, dem hier eine Hülle an Perspektivenwechsel geboten wird. Das gelingt aber nur im nahen Umfeld des Neubaus. Eine Häuserzeile weiter versperren einem die Nachbargebäude die Durchblicke. Die Qualität bleibt also auf das Grundstück selbst beschränkt.
Eine Chance auf Fortsetzung gibt es nur, wenn die erzeugten Durchblicke in Zukunft auch den umliegenden Grundstücken als städtebauliche Vorlage dienen. Bei einem Städtebau der Sichtachsen und Perspektivenwechsel stellen sich aber eine grosse Frage: Wohin soll man sehen? Falls dieses Konzept über ein grösseres Gebiet funktionieren soll, kommt man um eine Planung des ganzen Gebietes nicht herum. Wie sonst könnte verhindert werden, dass der Architekt x dem Architekten y die Sichtachsen verbaut. Ein solcher übergeordneter Plan liegt dem Projekt offensichtlich nicht zu Grunde. Die Nachhaltigkeit der Durchblicke in einem grösseren Massstab muss daher angezweifelt werden.
Hier schliesst sich der Kreis. Städtebau ohne geometrische Ordnung ist ein Ding der Unmöglichkeit. Auch wenn man sich vom einfachen Raster oder der gleichmässigen Streuung lossagen will, ein Gebiet kann nur als Einheit funktionieren, wenn eine übergeordnete Struktur vorhanden ist. Die totale Verweigerung von Mustern bleiben unverständlich auch wenn sie sich in den Worten der Jury hübsch anhört: „Kaleidoskopisch erscheint das bunte Bebauungsmuster von Altstetten in stets neuen Bildern.“ Ist ein Kaleidoskop tatsächlich das Idealbild für einen Quartierscharakter? Kann eine solche Zersplitterung tatsächlich Identität hervorrufen?
Die Potenziale und Qualitäten der Durchblicke werden sich erst im Durchschreiten der gebauten Siedlung zeigen. Dass die gewollte Strukturlosigkeit städtebaulich erfolgreich sein wird, darf aber schon jetzt mit Recht angezweifelt werden. (Weiter bei …)