Achtung, fertig, Chaos

Achtung, fertig, Chaos

Die Stadt befindet sich am städtebaulichen Scheideweg der Verdichtung. Grosse Bauten können sich nicht mehr gleich verhalten wie ihre kleinen Vorgänger. Das Verhältnis von Gebäude zu Freifläche verändert sich. Neue Typologien sind gefragt. Das muntere Rätselraten hat begonnen.

(… vorher) Der Bauweise der Siedlung Triemli haben wir in vorangehenden Texten nachgespürt. Die Brüche zu ihrer Umgebung sind aber bei weitem kein Einzelfall. Ein Grossteil der neueren Wohnbauprojekte nimmt eine ähnlich eigenständige Haltung gegenüber der Stadt ein. Am Beispiel Altstetten lässt sich dies gut nachzeichnen. Angrenzend an Burkhalter-Sumis locker gestreuten, abgerundeten Rechteckbauten an der Else-Züblin-Strasse (Wohnbaugenossenschaft Sunnige Hof) ist die sehr dichte Bebauung des Freilagers geplant (Freilager AG). Dort werden zur Rautistrasse hin drei Wohnhochhäuser entstehen. Dahinter sind zeilenartige Bauten vorgesehen. Diese setzen sich teilweise aus aufgestockten Industriegebäuden und teilweise aus Neubauten zusammen. Einige hundert Meter weiter westlich hat die Stadt als Bauherrin einer wiederum anderen Bauform den Vorzug gegeben. Das Siegerprojekt für die Rautistrasse 284-300 zeigt Punkbauten, die den Volumen an der Else-Züblin-Strasse nicht unähnlich sind. Allerdings kommt hier keine derart zufällige Streuung der Körper zum Einsatz. Von dort aus zwei Strassenzüge nördlich befindet sich das Gelände der Siedlung „Im Stückler“ an der Dachslernstrasse 68-78. Hier hat Adrian Streich eine kammartige Bebauung geplant, die teilweise wie ein Blockrand die Grenze begleitet, sich zwischendurch aber auch nach aussen öffnet. Ganz anders geht der gleiche Autor bei der Siedlung Eyhof vor, die sich in der Nähe des Triemli befindet. Die Baukörper bestehen aus zwei Kopfbauten und einem abgeknickten Mittelbau. So entstehen L-förmige Gebilde, die frei in die durchgrünten Fläche gestreut sind. Wiederum anders verhält sich das Projekt Fellenbergstrasse von Gmür und Gschwendtner. Mit den beiden Längsbauten wird ein starker Bezug zur Strasse gesucht. Durch die Formähnlichkeit gelingt hier eine Fortschreibung der vorhandenen Typologie. Noch einmal ganz anders ist der Ansatz der Siedlung Triemli 1. Das Projekt der HLS Architekten an der Schweighofstrasse 429-437 (Baugenossenschaft Rotach) zeigt grossformatige Punktbauten in einem von Längsriegel von der Strasse abgeschotteten Grundstück.

Die Liste solcher unterschiedlicher Bauformen ist beliebig erweiterbar. Kein Neubau ist wie der andere. Dies ist besonders augenscheinlich, weil diese Projekte den immer gleichen Gebäudetypen ablösen. Mit Ausnahme des Freilagers ersetzen sie durchs Band die dreigeschossigen Längsbauten aus den Fünfzigern und Sechzigern. Wo vorher eine Durchgängigkeit in der Gebäudehöhe, dem Bezug zur Strasse, den Gebäudedimensionen und der Gebäudeform vorhanden war, ist jetzt nur noch die maximale Differenz als Prinzip erkennbar. Eine Antwort auf die Frage, welche der Typologien die richtige ist, ist nicht einfach. Klar ist aber auch, dass das gestalterische Chaos kein adäquates Mittel zur Lösung dieser Fragestellung ist. (Weiter bei…)