learning from Mall
Die Mall ist ein funktionales Konstrukt, das seinen Platz in der Gesellschaft gefunden hat. Als neuere Form eines Zentrums gliedert sie sich heute in das städtische Gefüge ein und erweitert es – sowohl quantitativ als auch qualitativ. Doch gerade was die Qualität angeht, wurde die Mall oft kritisiert. Als Absage gegen den Kulturort Stadt, als Gegenthese zu frei zugänglichen Räumen und der politischen Meinungsäusserung. Trotz aller Unkenrufe hat der Einzug der Verkaufskomplexe nicht die befürchtete Auswirkung. Die herkömmlichen städtischen Räume existieren weiterhin. Das Einkaufscenter mag keine geliebte Bauform sein, die Stadt hat sich aber zumindest mit ihm arrangiert. Wenn aber die Mall nicht der Vorbote des zivilisatorischen Untergangs darstellt, wofür steht sie dann? Was bedeutet sie für die Stadt und was können wir von ihr lernen?
(… vorher) Es zeigt sich, dass die Mall eine Vielzahl spannender Eigenschaften inne hat, mit denen zu beschäftigen es sich lohnt: Ein äusserst spannendes, räumliches Konzept liegt diesen Einkaufscentren zu Grunde. Eine aus Verkäufer Sicht kluge Ballung der Angebote ist zu entdecken. Ihr wichtigstes Attribut aber ist ihr Umgang mit der Information. Mit der stetig tiefer in den Alltag eindringenden Informationsdarstellung, wird die Frage nach deren intelligenter Integration immer lauter. Dazu kann uns die Mall Denkanstösse liefern.
Betrachten wir als erstes die Ballung der Angebote. Wir können sie als Ergebnis des Konsumentenverhaltens begreifen. So wie heute eingekauft wird, ist es schlicht erfolgreich alle Anbieter auf kleinstem Raum zu versammeln. Die Mall ist in gewisser Hinsicht eine „natürliche“ Ableitung gesellschaftlicher Bedürfnisse. Die herkömmlichen Strukturen vermochten es nicht, diese zu befriedigen. Die Entwicklung der Mall hat also wesentlich mit dem Unvermögen der bestehenden Stadt zu tun, sich wandeln zu können. Die Typologie die sich aus dem Wunsch nach Ballung entwickelte, mag nicht perfekt sein. Dennoch hat sie eine eigene Anziehung und ein Potenzial, dass über ihre derzeitige Existenzform hinaus weist. Ballung ist eine Eigenschaft, die nicht nur aus der Sicht des Konsums Erfolg verspricht. Als Konzept kann sie auch in anderen Lebensbereichen zu neuartigen Lösungen führen. Die Ballung von Wohnnutzungen, von Kulturinstitutionen, von Bildungsstätten und die Ballung von Arbeitsorten könnten dazu Untersuchungsfelder sein.
Doch nicht nur die Veränderten Nutzungszusammenhänge regen die Phantasie an. Gerade da, wo sich die Ballung auf den Raum auswirkt, wird es für den Städtebau besonders interessant. Denn im Einkaufszentrum sind die Läden nicht mehr durch den städtischen Aussenraum, sondern durch eine innere Erschliessung verbunden. Damit kann die Mall als die Ausdehnung des städtischen Aussenraumes in das Gebäudeinnere gelesen werden. Stellten Innen und Aussen in der herkömmlichen Stadtkonzeption noch ein Gegensatzpaar dar, sind sie durch die Mall als Einheit denkbar. Mit diesem Vorstoss der Stadt in den Innenraum, erweitern sich die Möglichkeiten der Organisation um ein Vielfaches. Man bewegt sich nicht mehr nur in der Horizontalen, sondern zwischen mehreren Ebenen. Es gibt neuartige Möglichkeiten Sichtbezüge zu erstellen. Es lohnt sich plötzlich nach oben und nach unten zu schauen. Gleichsam verkürzen sich die Strecken zwischen den Punkten. Die Ausdehnung der Stadt multipliziert sich auf der gleichen Fläche, in dem sie die Schichtung in der Höhe einbezieht. Es wird eine enge räumliche Vernetzung möglich.
Zu guter letzt, zeigt uns die Mall die Wirkung, der zur Erschliessung hin kommunizierenden Nutzflächen. Die Darstellung von Informationen drängt immer stärker in die Wahrnehmung der Stadtbewohner. Die Mall macht wie kein anderer Ort deutlich, was die Stadt im Kern ist. Sie wird nicht durch die Gebäude gebildet, sondern durch den Austausch von geistigen Positionen. So bietet es sich den auch an, die Art der Integration von Informationssystemen auf andere Nutzungen anzuwenden.
Im Angesicht aller Möglichkeiten zeigen sich aber auch die Hindernisse die Stadt in den Innenraum hinein zu denken und sie der Informationsdarstellung zu öffnen. Um die Potenziale der Typologie der Mall für die Stadt nutzbar machen zu können, braucht es mehr als nur die Bewilligungen für solche Komplexe zu sprechen. Denn die Kritik an der Mall ist immer auch eine Kritik an der fehlenden Einflussnahme der Gesellschaft auf die Mall. Die Interessen der Stadtgesellschaft werden nur noch in seltenen Fällen durch sie und ihre politischen Vertreter gewahrt. Sie scheinen auf die Gestaltung der Stadt nicht mehr im selben Masse Einfluss nehmen zu wollen, wie das in der Vergangenheit der Fall war. Der Stadtplatz beispielsweise, ist das Resultat einer stark in die Eigentumsrechte eingreifenden Politik. Diese führte zu einer Jahrhunderte überdauernden, gleichermassen starken städtebaulichen Form. Für derartige Eingriffe in die Besitzansprüche Einzelner scheinen heute keine Mehrheiten mehr vorhanden zu sein. Doch genau die Bereitschaft zum Eingreifen ist zentral, sollte der städtische Innenraum nicht nur Einzelinteressen, sondern dem Ganzen dienen. Nur wer die relevanten Räume gestaltet, hat Einfluss auf deren Entwicklung. Im Falle der Mall liegt die Schwierigkeit darin, dass sich die Stadt im Innenraum abspielt. Im klassischen Verständnis ist der Innenraum jedoch ein privater Raum. Er fällt aus der Betrachtung heraus. Es stellt sich die Frage, ob die Lesart der Mall als Erschliessungssystem nicht erfolgreicher ist. Diese Wahrnehmung ermöglicht es, das Einkaufszentrum als neuartigen Teil der Stadt mit grossen Potenzialen zu verstehen. Mit der Möglichkeit zur Weiterentwicklung der Stadt, geht aber auch das Risiko des Scheiterns einher. Im Falle der städtischen Innenräume stehen die Investitionen auf dem Spiel, welche die Gemeinschaft bereit sein muss zu tätigen, wenn sie an ihrer eigenen Entwicklung teilhaben möchte. Die Kritik an der Mall ist also müssig. An ihrer Stelle sollte der Mut treten, die Stadt selbst zu bauen, wie sie sein sollte. Ein Weg ist es, sie in den Innenraum zu entwickeln. So kann von der Ballung und dem Informationsaustausch profitiert werden. Damit entsteht ein ganz neuer Umgang mit dem was wir Stadt nennen. (Weiter bei …)