deadly boring chic
Das wahre Defizit einer Mall ist deren Existenzgrund – Die Läden. Der Versuch architektonische Qualität zu erzeugen wird von der Ästhetik der Warenauslagen unterminiert. Es scheint fast so, als gäbe es nichts Erstrebenswerteres als Hochglanzkataloge in Innenarchitektur zu übersetzen.
(… vorher) Die Mall als Bautyp ist potent. Grösse, Aufmerksamkeitsbedarf und Geldmittel, sie alle sprechen für das Entstehen erfolgreicher Architektur. Das Potenzial jedoch wird in den seltensten Fällen ausgeschöpft. Herstellung von Architektur und das Anpreisen von Waren führen nicht zwingend zu denselben formalen Lösungen. Während der Architekt in erster Linie an der räumlichen Umgebung interessiert ist, dient sie dem Verkäufer im besten Falle als willkommene Nebensache. Meistens ist sie jedoch hinderlich und wird ausgeblendet. Die Raumgestaltung des Verkaufs folgt eigenen Regeln. Zum einen hat für sie Zeit eine andere Bedeutung, zum anderen ist es das gestalterische Grundmass, das sie vom architektonischen Verständnis abrücken lässt:
Der Aspekt der Zeit äussert sich in der Herstellung von Mode. Veränderungen gelten in diesem Zusammenhang als Überlebensformel. Ausser dem Markenlogo hat kaum etwas für länger Bestand. Architektur wird unter dieser Perspektive zur Hypothek. Sie kann schön sein, aber wenn sie die Jahreszeiten nicht abbilden kann, dann ist sie dem Verkauf keine Hilfe. Ladengestaltung ist meist eine flüchtige Angelegenheit.
Der zweite Aspekt betrifft die Ausrichtung der Gestaltung. Steht in der klassischen Vorstellung von Architektur der Mensch im Mittelpunkt der Raumschöpfung, ist es im Laden der Verkaufsgegenstand. Der Mensch ist hier nicht mehr ein Idealbild körperlicher Proportionen, wie es Le Corbusiers „Modulor“ war. Er ist ein Konsument, dessen wichtigste Proportion das Verhältnis zwischen seinem Geld und der Bereitschaft es auszugeben ist. Damit ist die Raumgestaltung auch nicht mehr dem Spiel der Kuben unter dem Licht der Sonne gewidmet, sondern dem künstlichen Ausleuchten von Waren. Was in der Architektur gewissermassen selbstlos erfolgte, ist im Ladenbau zielgerichtet und zweckgebunden.
Eben dieses Zweckgebundene prägt schliesslich die Gestaltung – die Erzeugung von Stimmung in den Läden. Raumgestaltung hat zum Ziel die Werte eines Produktes zu unterstützen und allenfalls zu überhöhen. Dabei ist der Ladenraum nur das letzte Glied in dieser Absicht. Ihm vorgeschaltet sind alle Arten von Print- und Webanzeigen, Homepages, Hochglanzzeitschriften und Kataloge. Die Verkaufsstelle ist Teil einer gesamten Verkaufsstrategie und steht nicht für sich alleine. Und eben diese Tatsache beeinflusst auch die Gestaltung der Ladenfläche selbst. Der Kunde soll die TV-Spots wiedererkennen, wenn er durch die Mall schlendert. Er soll das Hochglanzheft im Hinterkopf haben, wenn er die Auslagen durchstöbert. Daher muss alles auch so aussehen wie es sich in der Werbung zeigt. Alles scheint von einer Art Hochglanz überzogen zu sein. Alles ist chic und trendy. Kaum ein Laden weicht von dieser Erscheinung ab. Das Risiko als weniger qualitätsvoll angesehen zu werden, ist bei den dicht an dicht gestellten Schaufensterfronten gross. Unterstützt wird diese Wirkung mit der Ausgestaltung der Erschliessungsfläche. Polierte Steinböden, hochwertige Beleuchtung, coole Signaletik. Alles fügt sich auch hier zu einer noblen Umgebung zusammen. Malls sind Luxuswelten für den Normalbürger. Zumindest sind sie das, was die Marketingabteilung glaubt, sei die Vorstellung von Luxus, in den Köpfen der Konsumenten.
Wie stark der Einfluss der Warenvermarktung tatsächlich ist, zeigt sich da, wo die Stadt vermeintlich ursprünglich ist – in der Kernstadt. Die Einkaufsstrasse gleicht sich in Aussehen und Nutzung immer mehr der Lebendigkeit der Mall an. Man schlendert tagsüber nicht durch einen Teil der Stadt, sondern durch eine Warenwelt. Nachts wird es da ungemütlich still und menschenleer. Wo der Verkauf von Waren so ausgeprägt stattfindet muss stets mit solchen Effekten gerechnet werden, sei es in der Mall oder der Einkaufsstrasse. Solche Räume erstrahlen alle unter demselben Licht, sie bilden eine helle, heile Welt des Glanzes: schön und langweilig zu gleich. (Weiter bei …)