Gesicht im Inneren
Die Mall braucht ein Gesicht. Der Architekt soll Wiedererkennbarkeit schaffen – vor allem aus marketingtechnischen Gründen. Der Platz zur Herstellung dieser Wiedererkennbarkeit ist die Erschliessungsfläche.
(… vorher) Die Fläche, die es bei einer Mall zu gestalten gilt, ist im Vergleich zur Grösse des Gesamtkomplexes sehr klein. Zu grossen Teilen besteht ein Einkaufszentrum naturgemäss aus Ladenflächen, nicht aus der Erschliessung dazwischen. Die Planung fordert geradezu deren Minimierung. Dennoch spielt die Erschliessung eine zentrale Rolle für das Funktionieren einer solchen Verkaufsstätte. Sie ist nicht alleine das Produkt der geometrisch kleinsten Fläche zur Anbindung der Läden. Sie dient auch der Identifikation des Ortes. Sie gibt dem gesamten Konstrukt einen Zusammenhalt, ein Gesicht. Sie ist ein Raum gewordenes Werbeinstrument für den Marktstandort. Dies ist umso wichtiger, als dass die Läden selbst nicht im Stande dazu sind. Da ist kaum eine Ladenkette, die nicht auch am Konkurrenzstandort eingemietet ist. Die Globalisierung führt dazu, dass H+M’s in Zürich, London und Kuwait-City anzutreffen sind. Der Mythos eines unterschiedlichen Sortimentes ist nur das Feigenblatt für uns Konsumenten, die wir in jeder Stadt wieder in den genau gleichen Auslagen stöbern. Der Inhalt der Mall ist ihrem Wesen nach langweilig, weil das Marketing der Branche langweilig ist. Die Industrie schafft zwar immer neue Formen. Was aber kann im Gewusel der Moden noch überraschen? Die Mall als Ort kann jedoch den Unterschied ausmachen.
Der Entscheid in die eine oder andere Mall zu fahren ist nicht immer nur eine Frage der Anfahrtszeit und des Angebotes. Auch das Flair, die Raumstimmung, das Ambiente kann ausschlaggebend sein. Shoppen besteht schliesslich nicht nur aus der reinen Zweckerfüllung. Shoppen ist auch ein Erlebnis. In der Schweiz mögen die Anstrengungen des Standortmarketings von Malls nicht derart hervorstechen. Sie stehen in Konkurrenz mit charakterstarken, gewachsenen Orten. In anderen Länder, wie das Beispiel Kuwait ( siehe „Lebensraum vs. Kulturort“, erscheint am 20.02.2014) zeigt, tritt dieses Bestreben weitaus mehr zu Tage. Da es dort an gebauten Kulturschätzen mangelt, haben die Spiesse der Konkurrenten eine vergleichbare Länge. Die Anlagen sind alle neueren Datums und arbeiten daher mit ähnlichen Mitteln. Dies bedeutet aber nicht, dass hier zu Lande keine Anstrengungen unternommen würden, die Attraktivität der Einkaufszentren zu steigern. Gerade weil die Konkurrenz hier stark ist, sind Investitionen in die Aufenthaltsqualität notwendig um den Anschluss nicht zu verlieren. Bars und Cafés nach städtischem Vorbild sollen auch hier die Aufenthaltsdauer verlängern. Mehrgeschossige Atrien sollen die lauschige Altstadtgasse vergessen machen. Der Kunde soll in die Welt der Mall eintauchen – und kaufen.
Hierfür ist die Architektur und die Innenraumgestaltung das geeignete Mittel. Raumdimensionen von zentralen Erschliessungsflächen, Belichtung und Materialisierung geben dem Komplex seinen Wiedererkennungswert. Gerade Neubauten zeigen, dass das Bewusstsein für diese Thematik Eingang in die Ausgestaltung von Malls gefunden hat. Die Anlage „West-Side“ ( These 30) bei Bern bedient sich beispielsweise der Architektursprache von Daniel Liebeskind um ihre Attraktivität zu steigern. Und auch hier ist es die Erschliessungsfläche die im Mittelpunkt des Interesses steht. Hier muss dafür gesorgt werden, dass ein Zusammenhang zwischen den einzelnen Angeboten entsteht. Hier wird der Ort geprägt. Hier wird das Einkaufen zum Einkaufserlebnis befördert.
Malls sind in dreierlei Hinsicht leistungsfähige Systeme. Neben einem optimierten Flächenverhältnis zwischen Verkaufsräumen und deren Erschliessung, und der Ballung von Angeboten, ist es die Fähigkeit eine Umgebung des Einkaufens zu erschaffen. Eine Umgebung die spezifisch auf die Anforderungen der Anbieter ausgerichtet ist und den Konsumenten optimal leitet und unterhält. Malls sind synthetische Objekte, wenn mit synthetisch gemeint ist, dass etwas von Grund auf, nach festen Vorgaben hergestellt werden kann. Es handelt sich hier gewissermassen um einen Wirkstoff, der unter den Laborbedingungen des Planungsbüros entsteht und nicht über längere Zeit heranwächst. Damit kann man sich den mühseligen Umgang mit dem Bestand ersparen und sich seinen Zielen in Reinform nähern. Dabei kann ein starkes Bild entstehen: das Gesicht des Einkaufens. (Weiter bei…)