Ein Medium ist kein Medium

Ein Medium ist kein Medium

(…vorher) Ein Informationskanal alleine mag eine Schlagzeile transportieren, einen Diskurs führen kann er aber nicht. Wo es ums Wesentliche für die Gesellschaft geht, ist auch die Teilhabe der gesamten Gesellschaft gefragt.

 

Die simple aber wichtige Feststellung zuerst – Infrastrukturen ermöglichen nicht nur den gesellschaftlichen Diskurs sondern beeinflussen ihn mit ihren Möglichkeiten. Je nachdem, welcher Kanal verwendet wird um eine Information auszutauschen, wird der Inhalt anders wahrgenommen und gegebenenfalls anders verstanden. Gleichermassen lässt sich festhalten, dass die Infrastruktur immer auch Rückkoppelungseffekte auf den Inhalt auslösen kann. Sie verlangt gewissermassen nach angemessenen Inhalten.

Themen mit grosser Relevanz für die Gesellschaft werden jedoch nicht nur über eine Infrastruktur ausgetauscht. Sie werden über alle möglichen Kanälen transportiert. Damit minimiert sich der Einfluss der einzelnen Infrastruktur und ihrer Übertragungsform. Die technische Grundlage der Informationsverarbeitung kann in diesem Zusammenhang, wenn auch nicht gänzlich vernachlässigt, so doch untergeordnet behandelt werden. Entscheidend für die Wirkung auf den Empfänger sind seine Vorlieben in der Nutzung von Informationskanälen. Während sich der eine hauptsächlich über eine renommierte Tageszeitung informiert, konsumiert ein Anderer vielleicht ein Pendlerblatt in Kombination mit der Tagesschau im Fernsehen. Meist werden Nachrichten aber auch über Radio und Internet abgerufen, sowie in der Pause oder am Mittagstisch aufgeschnappt. Zu guter Letzt kann es natürlich auch sein, dass man direkt ins Geschehen gerät, oder es zumindest in Sicht- und Hörweite passiert.

Es sind demnach weniger die einzelnen Informationskanäle, sondern ihr Zusammenspiel, welches die Information selbst zu beeinflussen vermag. Die Kundgebung auf dem Stadtplatz alleine hat zum Beispiel einen relativ kleinen Verbreitungsradius. Von den Informationen sind nur die schaulustigen Passanten betroffen, von wo aus sich allenfalls eine mündliche Weitergabe innerhalb des Bekanntenkreises ergibt. Eine grössere Region oder die Ganze Gemeinschaft erfährt von der Kundgebung und ihren Anliegen durch die Presse. Die Verbreitung über Radio, Fernsehen, Zeitung und Internet erweitern den Radius der Information auf die Konsumenten dieser Medienprodukte. Je nach Thema erstatten nur einzelne Medienunternehmen Bericht. In diesem Falle sind die Inhalte zu spezifisch und kommen nicht über ihr Nischendasein hinaus. Oder es entsteht eine Dynamik innerhalb der Presse, die dazu führt, dass schliesslich alle von der Kundgebung berichten. In diesem Fall hat die Kundgebung gesellschaftliche Aufmerksamkeit erlangt.

Die Rolle der einzelnen Infrastrukturen kommt aus der Sicht der Gesellschaft erst dann zum Tragen, wenn sie in ihrer Gesamtheit die gleichen Themen transportiert. Eine Zeitschrift alleine erzeugt keinen öffentlichen Diskurs. Sie mag ihn prägen oder gar lancieren, aber sie benötigt die anderen Informationskanäle um gesellschaftliches Gewicht zu erlangen. Auch ein städtischer Platz unterliegt dieser Logik, wenn er als Ort des Austausches verstanden wird. Im Unterschied zu den anderen Übertragungskanälen ist seine Reichweite aber äusserst eingeschränkt. Es mögen sich zwar Massen auf ihm versammeln können, doch im Verhältnis zur Gesellschaft selbst bleibt diese Zahl klein. Städtischer Raum kann daher nicht als Leitmedium gelten, sondern lediglich als Kulisse für Vorkommnisse, welche durch die Presse an die Masse gelangen. Stadtraum als politische Bühne, ist lediglich eine Erweiterung des Parlamentes, um wiederum auf dieses einzuwirken. Es ist eine Nebenerscheinung des Wahl- und Abstimmungslokals – einer Institution, die seit der Einführung der Briefabstimmung kaum noch räumlich in Erscheinung tritt.

Einzelne Informations-Infrastrukturen sind aus gesellschaftlicher Sicht kaum wirkungsvoll. Nur ihr Zusammenspiel schafft die Grundlage für einen relevanten Diskurs. Auch der städtische Raum ordnet sich in diesen Kanon der Informationsbausteine ein. Dabei stellt er nicht den Kern der Gesellschaft, sondern ein Glied in der Informationskette dar. (Weiter bei…)